Gab es ein gravierendes Momentum für Ihre Initiativen, die Planung und Idee von Soulmade?
Thomas Schlereth: „Ja, das gab es in der Tat. Vor etwa sieben Jahren habe ich an einem Spätsommermorgen meinen ältesten Sohn zur Schule gebracht. Es war noch sehr kühl und aus dem Auspuff meines Autos rauchte es. Mein Sohn stieg aus, warf sich seinen Schulranzen auf den Rücken und beobachtete dabei das rauchende Auto. Er drehte sich um, sah mich an und fragte: "Papa, macht Dein Auto eigentlich meine Umwelt kaputt?".
Das war der Schlüsselmoment, wonach mir klar wurde, dass ich etwas verändern musste in meinem Denken und Wirken. Mein Sohn hat es geschafft, wenn vielleicht auch unbewusst, das große Ganze zu personalisieren und mir zu vergegenwärtigen, dass die heranwachsende Generation ein anderes Verständnis und eine andere Perspektive zu den Themen Umwelt und Natur hat. ‚Wir haben die Welt nicht von unseren Eltern geerbt, sondern von unseren Kindern geliehen’, dieser so wahre Satz fasst alles zusammen, worum es geht, wenn man sinnvolles schaffen und hinterlassen möchte."
Was war Ihnen bei der Verwirklichung Ihres etwas anderen Hotelkonzepts wichtig?
T.Schlereth: „Nachhaltigkeit, Achtsamkeit und Sinnlichkeit im Verständnis von 'mit allen Sinnen' sind die Säulen, die dieses Projekt tragen. Diese Komponenten waren von Beginn an der rote Faden in dem Entwicklungsprozess und Zusammenspiel von Bau und Operative. Das Soulmade sollte rundum Sinnvoll sein. Sehen, spüren, riechen, berühren, ein Appell an die Sinne! Gemeinsam mit meinem Team habe ich viel Zeit damit zugebracht, für und an das Wohlgefühl von Menschen zu denken und wie wir eine Form des „Zuhause Gefühls“ erlebbar darstellen können. Dafür habe ich gedanklich alles zusammengetragen, was mir persönlich gut tut, womit ich mich wohl fühle. Viele dieser Elemente haben wir dann hier eingebracht. Ein weiteres, mir persönlich wichtiges Anliegen, war die Holzbauweise des Soulmade - reicht meine Empathie für den Holzbau und das Material doch bis in mein Studium zurück. Holz lebt, duftet, verändert sich, arbeitet in sich und ist ein nachwachsender Rohstoff. Das Wissen, dass unser Haus nachwächst, ist für mich das finale Puzzlestück, das unser Haus so besonders macht. Mir war wichtig zu verstehen und zu vermitteln, dass wir mit einem derartigen Ansatz ein Konzept auf die Beine stellen können, das über das hinaus geht, was die klassische Businesshotellerie bietet. Dass wir einen Raum, einen Lebensraum schaffen, der die Atmosphäre des Miteinanders im Fokus hat." In der traditionellen Hotellerie passt sich der Gast in gewisser Weise an vorgegebene Strukturen an: Ankommen, Warten an der Rezeption, Warten auf den Zimmerschlüssel etc. Diese Stationen gibt es in Ihrem Hotel nicht mehr. Der Gast ist wesentlich freier, selbstbestimmter.
Das klingt erstaunlich, somit waren zumindest auch solche Gastgeber Nuancen wesentliche Bestandteile zur Konzeption des Hauses?
T.Schlereth: „Durchaus. Mit im Kern stand für uns die Frage "welche Nähe man in einem „Business“-Hotel zwischen den Menschen haben und zulassen möchte". Mir ging es darum, die konventionelle Unterscheidung im menschlichen Umgang zwischen Gast und Mitarbeiter neu zu definieren und die Distanzen zu relativieren. Respektvoll im Umgang miteinander zu sein, dabei aber eine freundliche Nähe aufzubauen, im gelebten Sinne in einer Gemeinschaft zu sein, die jedem, der sich bei uns aufhält, nicht das Gefühl vermittelt, ein Fremder zu sein, sondern Teil einer vielfältigen Gemeinschaft aus Gastgeber, Gast und Nachbarschaft.“
„Nachhaltigkeit und Achtsamkeit bedingen sich. Nachhaltig kann nur leben und sein, wer achtsam ist. Und wer achtsam lebt, erzielt ein hohes Maß an Nachhaltigkeit“ -Zitat: Thomas Schlereth
Wie wichtig ist Ihnen das Faktum „Gäste und Mitarbeiter“ bei dieser relativ ja neuen Herangehensweise?
T.Schlereth: „Elementar wichtig, darum haben wir auch in diesem Feld aus Überzeugung eine etwas andere Definition: bei uns kommt der Mitarbeiter eher dem Bild des Gastgebers gleich. Jeder, der bei uns im Team ist, vom General Manager bis zu den Kollegen im Bereich Floor und Food&Beverage - und zwar ohne Unterscheidung der Tätigkeit – empfängt unsere Gäste quasi wie in seinen privaten Räumlichkeiten: Gelöst authentisch! Die Rolle des gesamten Teams im Bezug auf die Gäste besteht darin, ihnen ein Gemeinschaftsgefühl zu geben und dabei natürlich auch die klassischen Aufgaben eines Gastgebers zu erfüllen. Was hier im Soulmade stattfindet, ist ein Miteinander. Zwischen den einzelnen Teamplayern und gerade auch in der Interaktion mit den Gästen. Ich hatte von Anfang an den Wunsch, dass Gast und Gastgeber nebeneinander stattfinden, dass wir das traditionelle Gefüge ein Stück weit aufbrechen. Blickkontakt statt Unterwürfigkeit. Vor diesem Hintergrund ist auch die Architektur unserer Räume entstanden. Wir haben die üblichen Barrieren im Bereich der klassischen Lobby aufgehoben und dies konsequent bis in unseren Living Room fortgeführt. Das freie bewegen können in einem Raum, in dem alles stattfinden kann. Durch diese Anordnung der erlebbaren Fläche wird das Miteinander in seiner natürlichen Vielfalt ermöglicht. Zuhause, nur woanders!"
Klingt ein wenig so, als ob Sie dem rasanten Begriff Zeit, ein geschicktes Schnippchen schlagen wollen, zumindest kurzzeitig, da liegt die amüsante Vermutung nahe: ob bei Ihnen die Uhren ein wenig anders ticken?
T.Schlereth: „Zeit ist ein gutes Stichwort. Neben den bereits erwähnten Komponenten war und ist mir persönlich der Faktor Zeit sehr wichtig, weil Zeit für mich in meinem Leben zunehmend zu einer wertvollen Größe geworden ist. In der Lobby des Soulmade habe ich deshalb eine Zeit-Installation „ Timeless ... is only the presence", sprich "Zeitlos ist nur die Gegenwart“ entworfen und errichtet, die dort nicht aus rein ästhetischen Gründen steht, sondern die den Spirit im Soulmade auf den Punkt bringt: Ankommen. Ausatmen!
Des Weiteren haben wir im gesamten Haus, inklusive der Zimmer bewusst nicht versucht, mit großen Gesten die Aufmerksamkeit auf gewisse Bereiche zu ziehen. Die Intention war, möglichst zurückhaltend zu sein, farblich leise und im Hintergrund zu bleiben und jedem Gast die Möglichkeit zu geben, sich in seine vier Wände zu begeben und einfach loszulassen. Man könnte durchaus sagen, wir haben versucht, den Wellness Gedanken des sog. „Entschleunigen“ erstmalig in ein Business Hotel zu bringen. Unserer Überzeugung nach sollte es für die Gäste möglich sein, den Zustand des Ankommens und Loslassens bei uns in das alltägliche Leben ein Stück weit zu integrieren!"
Abschliessend bitte mit wenigen Worten noch Ihre Definition zum Brand, dem Hotelnamen: Soulmade
T.Schlereth: „Soulmade” ist nicht nur ein plakativer Name ohne Inhalt, “Soulmade” ist eine Lebenshaltung. Entspricht auch meiner eigenen. Dieser Name trägt alles, was wir in diesem Haus versuchen zu leben, mit allen wunderbaren Facetten des Lebens.“
Ein wirklich faszinierendes Gespräch mit Ihnen, danke Herr Schlereth. MOMENTE-Akzente wünscht Ihnen unbedingt den gewünschten Erfolg, der erkennbar mit dieser Sicht der Realitäten, einer bodenständigen Philosophie und ihrer Team fähigen Herangehensweise sicher nicht lange auf sich warten lässt!
Auch wenn ganz offensichtlich die Zeit alles bestimmen will, und auch wird, sollte man dem uns alle tendenziell strangulierenden Phänomen - Zeit - dennoch sehr gelassen, gegenüber stehen können und wollen.
Und spontan erinnert diese Zeit-Philosophie an das Leben im alten Ägypten, denn eine altägyptische Weisheit hat diesen Zeit-Gedanken einmal mit deutlicher Gelassenheit formuliert: „Alles fürchtet sich vor der Zeit, aber die Zeit fürchtet sich nur vor den Pyramiden“. Ein respektierlich zeitnaher Aphorismus, eine delikate Lebensweisheit die man sich in einer ruhigen Minute nachdenklich auf der Zunge zergehen lassen sollte.
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